Für Hans Georg – Gerechtigkeit

20. März 2020 Aus Von Wandereremitin

Für Hans Georg Gerechtigkeit

 

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Es war einmal, vor fast zwei Jahrzehnten, da schenkte mir ein lieber Freund eine Stadtführung. Als wir eben vor einem Gebäude standen, an dessen Giebel ein riesiges Relief prangte, welches uns die Szene aus dem Alten Testament den Kampf „David gegen Goliath“ entgegenwarf, fragte mich der Freund in Gedenken an diese Geschichte unvermittelt: „Was ist größer, die Liebe oder die Gerechtigkeit?“ Und gemäß den Worten des Apostel Paulus aus dem 1. Brief an die Korinther, Vers 13,13 antwortete ich: „Na, die Liebe, ist doch klar.“ Doch da wiegte der Freund sanft nur den Kopf und erwiderte kurz: „Nein, es ist die Gerechtigkeit.“ Und dann, kein weiteres Wort mehr. Auch von mir nicht. Obgleich mich diese Aussage arg verwunderte – stand sie mir doch irgendwie entgegen allem, was Lehramt und Priester uns Gläubigen vermittelten –, und zugleich auch zutiefst innerlich berührte, in dem Gefühl vager Ahnung der Richtigkeit ihrer. Schließlich dauerte es noch ein ganzes Jahrzehnt, bis mir dieses vage Ahnen eines Tages zur unerschütterlichen Glaubensgewissheit gewandelt wurde. Dem Herrn sei Lob und Dank für diese Gnade!

 

Heute. Wir schreiben das Jahr 2020, im Monat Februar: „Gerechtigkeit ist“, so der vorstehende Priester der heutigen Sonntagsmesse an die Anwesenden, „den Schwachen und Kranken zu helfen, den Bedürftigen zu geben, was sie brauchen, die Güter unter allen so aufzuteilen, dass ein jeder genug hat und zufrieden ist.“ Dann schlägt der Priester die Brücke zum heutigen Tagesevangelium Matthäus 5,20, indem er kommentiert: „Wie wir gleich hören werden – gute Werke tun auch die Pharisäer und doch sind sie nicht gerecht vor Gott. Denn auf die Einstellung des Herzens kommt es an.“

 

Und ich antworte still: „Siehst du, Herr, da ist es wieder – stets nur die halbe Wahrheit. Das Wesentliche fehlt. Also schreibe ich später auf, was du mir im Dunkeln ins Ohr geflüstert hast …“

 

Gerechtigkeit. Was ist sie, von Gott her? 

 

Kurzdarlegung

Richtig verstanden und gelebt, ist sie jener Liebe gleichzusetzen, die einzig zu leben uns vom Herrn aufgetragen ist: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! … Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage …“ Joh 15,9 ff. Und von hier aus „das ist mein Gebot; dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 15,12). Vom Vater her also, welcher der einzig wahrhaftig Liebende ist. Denn so ist es und bleibt es alle Zeit: Nicht wir haben Ihn erkannt, sondern Er hat uns ernannt – uns von je her schon, zuerst geliebt. (Vgl 1. Joh 4,19) 

 

Es ist demnach gleich, ob ich sage ”die Liebe ist das größte“ oder die ”Gerechtigkeit ist das größte“. Ja, in der Tat. Es handelt sich hierbei nicht etwa nur um die zwei Seiten einer einzigen Medaille, sondern schlechthin um die einzige Medaille zweier identischer Seiten. Im Grunde lediglich zwei verschiedene Worte, die indes für nur ein Einziges stehen: Gott allein! Warum es – trotz millionenfacher frommer Werke, vollzogen nicht nur durch fromme Gläubige –, dennoch stets nur Wenige auf Erden sind und waren, die vor Gott als gerecht galten, liegt auf der Hand: Verdrehte Verkündigung, infolge auch verdrehte Werke.

 

Ausführlich dargelegt

Bezeugt ist: David gewann den ungleichen Kampf gegen Goliath nicht, weil er seinen Brüdern oder seinem Volk sogenannt Gutes tun wollte. Sondern einzig, weil er all dessen nicht gedachte. Stattdessen ausschließlich auf den Herrn, seinen Gott schaute. Dessen Willen allzeit zu erfüllen war ihm wichtig, schon lange bevor er vor Goliath stand. Auf Treue zum Herrn, folgt Gerechtigkeit durch den Herrn. So erkannte David an dem hochmütigen – Israel und somit Gott verhöhnenden, Auftreten der kriegerischen Gegenmacht der Philister, vertreten durch den bislang unbesiegbaren Goliath – die Stunde seine Treue vor Gott zu beweisen. Oder anders, erkannte er, die Stunde Gottes, sich durch ihn, David, zu verherrlichen. Gottes alleinige Herrschaft, Allmacht und Größe, eben dessen ewige Gerechtigkeit –, vor aller Welt Augen zu bezeugen. Und tat es letztlich auch, vermittels Gottes Gnade. 

 

Das sind die Worte, durch die David offen vor dem ganzen Volk Israel und dem Volk der Philister die Herrschaft Gottes bekundete:

 

„Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Wurfspieß; ich aber komme zu dir im Namen des HERRN der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, die du verhöhnt hast!

 

An diesem heutigen Tag wird dich der HERR in meine Hand liefern, dass ich dich schlage und deinen Kopf von dir nehme und deinen Leichnam und die Leichname des Heeres der Philister den Vögeln unter dem Himmel und den wilden Tieren der Erde gebe, damit das ganze Land erfahre, dass Israel einen Gott hat. 

 

Und diese ganze Gemeinde soll erfahren, dass der HERR nicht durch Schwert noch Spieß hilft; denn der Kampf ist des HERRN Sache, und er wird euch in unsre Hand geben!“

1. Samuel 17,45-47

 

Das meint Gerechtigkeit! Der Aufblick zu Gott, die absolute Treue einzig dem Vater gegenüber. Und nicht Werkgerechtigkeit oder akribische Erfüllung der Vorgaben menschlich erzeugter Normen und/oder Traditionsformen. Gerechtes Handeln setzt demnach die absolute Unterwerfung unter den Willen Gottes voraus. David hatte schließlich dem Goliath den Kopf abschlagen müssen und auch später hin noch viele weitere Menschen zu töten. Nur ein einziges Mal hat Gott David gezüchtigt. Und zwar für eine Aktion, bei der David sich eben nicht treu und/oder eben gerecht Gott gegenüber – und somit auch nicht seinem Nächsten –, verhalten hat. Was dem Herrn missfiel, war, dass sich David – diesmal ohne sich zuvor an Ihn, den Schöpfer aller Dinge, zu wenden –, die einzige Frau nahm – und um derentwillen den Ehemann derselben in den sicheren Tod schickte –, die ihm von Gott her nicht zugedacht war. Die Konsequenz daraus war hart für David. Gott nahm ihm seinen geliebten Sohn. So ist es uns überliefert, in 2. Sam 11,1ff.

 

Auch ein Prophet Elia war von Gott allzeit für gerecht befunden. Wobei Elia selbst seinen Eifer für Gott nicht immer bejubeln konnte. Was nur zu verständlich ist, gehörte doch zu dieser Treue, sprich Unterwerfungsbekundung Gott gegenüber, unabdingbar auch dazu, dass er dem Volk, im Anschluss an dessen Bekehrung, befehlen musste, die Baals Propheten zu fangen. Anschließend hatte Elia sie vom Berg Karmel hinabzuführen „an den Bach Kison und schlachtete sie daselbst.“ (1. Kön 18,40) Und wenn auch in der Einheitsübersetzung dieses wesentlich wahrhaftige Wort jetzt ausgetauscht steht in „ließ … töten“. (EU 1. Kön 18,40), so bleibt dennoch der Tatbestand des geplanten Tötens als solches, real bestehen. 

 

Niemand auf Erden ist also gut, bzw. gerecht vor Gott, der nicht gleichzeitig auch bereit ist, in aller Treue auch bedingungslos den Willen seines Schöpfers auszuführen. Praktisch bedeutet das, dass auch niemand der gerecht ist vor Gott, gleichzeitig von aller Welt geliebt sein kann. Jedenfalls nicht, solange er noch auf Erden weilt. Dafür stehen nicht nur die einzelnen Berichte der Heiligen Schrift, sondern auch die vielen Heiligen unserer katholischen Kirche – allen voran deren Meister, Herr und Gott, Jesus Christus.

 

Dieser nämlich verließ schon als 12-jähriger – demnach unziemlich aller menschlicher Norm, Tradition oder Erwartung gegenüber –, seine Eltern, die ihn erst nach drei Tagen Sorge um ihn wieder fanden (Lk 2,46). Wobei er schließlich auf den vermeintlich berechtigten Vorwurf seiner Mutter „Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.“, sachlich nur antwortet: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meines Vaters ist?“ (Lk 18,48ff). Als 30-jähriger treibt er alle Händler und Käufer aus dem Tempel hinaus und stößt – ergeben erlegen dem Anflug heiligen Zornes –, mal eben „die Tische der Geldwechsler und Stände der Taubenverkäufer um.“ Gänzlich ohne auf den Schaden zu achten, der aus dieser zerstörenden Handlung nun eigentlich auch seinen Mitbrüdern entsteht (Mt 21,12 ff). Es kümmert Jesus anfangs auch herzlich wenig, dass seine Jünger auf tosender See vor Angst zittern und schreien (vgl. Mk 4,35 ff; Lk 8,22 ff), schließlich muss er, Jesus Christus, allzeit erfüllen, „was des Vaters ist“. 

 

Und so lehrt uns unser Meister auch ganz klar, was Gerechtigkeit meint:

 

„Meine Speise ist die, daß ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat, 

und sein Werk vollbringe.“ 

Joh 4,34

 

„Ich kann nichts von mir selbst tun. Wie ich höre, so richte ich, und mein Gericht ist gerecht; denn ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“

Joh 5,30 

 

„Denn ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“

Joh 6,38 

 

„Darum sprach Jesus: Wenn ihr des Menschen Sohn erhöht haben werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin; und von mir selbst tue ich nichts, sondern wie mich mein Vater gelehrt hat, so rede ich.“ 

Joh 8,28

 

„Und der, welcher mich gesandt hat, ist mit mir; er läßt mich nicht allein, denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.“ 

Joh 8,29

 

„Ich habe es euch gesagt, und ihr glaubt es nicht; die Werke, die ich tue im Namen meines Vaters, diese zeugen von mir.” 

Joh 10,25

 

„Tue ich nicht die Werke meines Vaters, so glaubt mir nicht!“

Joh 10,37

 

Und der für mich größte Beweis seiner Treue und Gerechtigkeit und/oder überbordenden Liebe dem Vater gegenüber – und somit zu den Menschen, bzw. vornehmlich zu jenen, die der Vater so aufs innigste liebt und Ihm, dem Sohn gegeben hat, Vgl. Joh 6,39 –, ist dieses folgende Wort, auf das unmittelbar das uns alle umfassende Erlösungswerk Christi – der grausame Opfertod Jesu am Kreuz – folgt:

 

„Damit aber die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und also tue, wie mir der Vater befohlen hat, stehet auf und lasset uns von hinnen gehen!“

Joh 14,31

 

Vom Kreuz aus erfüllt sich schließlich die Weissagung, das Wort der Propheten, festgehalten in zahlreichen Liedern und Psalmen:

 

„Du hast deinem Volk die Schuld vergeben,

all seine Sünden zugedeckt …

Es begegnen einander Huld und Treue; 

Gerechtigkeit und Friede küssen sich.

Treue sprosst aus der Erde hervor,

Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder.“ 

Ps 85,1ff

 

Ebenso hat auch Jesus zu seinen Lebzeiten angewiesen:

 

„Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit;

dann wird euch alles andere dazugegeben.“

Mt 6,33

 

Fazit: Wenn ihr also, liebe Priester, zum heutigen Evangelium Mt 5,20: „Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“, nun auch weiterhin lediglich nur die Auswirkungen jenes Lebens aus Gerechtigkeit vor Gott verkündet und/oder bzw. lehrt, nicht aber zuvorderst auch den gangbaren Weg zu diesem Leben daselbst – wie alltägliche Einübung in die Gegenwart und/oder bzw. allgegenwärtigen Präsenz Gottes in allen Belangen und Bereichen unseres Erdenlebens: „wie im Himmel, so auf Erden“ (Mt 6,10), betrügt ihr euch selbst und die Wahrheit ist nicht in euch. Und so fordert ihr denn auf diese Weise das Volk lediglich nur zu Werkgerechtigkeit bis hin zur Selbstgefälligkeit auf. Eben dazu Pharisäer zu werden und zu sein, statt freimündige, sprich bedingungslos Gott liebende, Kinder Gottes. 

 

So sollt ihr predigen und lehren, im Herzen und somit auch mit der Zunge: 

 

„Alles, was ihr in Wort und Werk tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn.

Dankt Gott, dem Vater durch ihn!“

Kol 3,17

 

Amen, ja Amen!

 

 

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